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19.09.2023

Steuerbescheid: Bei fehlerhafter Berücksichtigung elektronisch übermittelter Daten unabhängig von Fehlerquelle änderbar

Ein Steuerbescheid kann bei fehlerhafter Berücksichtigung elektronisch übermittelter Daten nach § 175b Abgabenordnung (AO) unabhängig von der Fehlerquelle und somit auch dann geändert werden, wenn der Fehler ebenso bei Vorlage einer Bescheinigung in Papierform aufgetreten wäre.

Der Kläger erhielt im Kalenderjahr 2018 eine Abfindung von 9.000 Euro. Diese war laut der durch den Arbeitgeber der Finanzverwaltung elektronisch übermittelten Lohnsteuerbescheinigung in dem als Bruttoarbeitslohn ausgewiesenen Betrag enthalten. In ihrer Einkommensteuererklärung trugen die zusammenveranlagten Kläger die Abfindung zwar zutreffend ein, erklärten jedoch hinsichtlich des Bruttoarbeitslohns einen um 9.000 Euro gekürzten Betrag.

Nachdem das Finanzamt die Voraussetzungen einer ermäßigten Besteuerung der Abfindung durch Anforderung weiterer Unterlagen überprüfte, berücksichtigte es im Einkommensteuerbescheid den (erklärungsgemäß) gekürzten Bruttoarbeitslohn. Den seitens des Risikomanagementsystems der Finanzverwaltung ergangenen Hinweis, dass die Daten der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung von den erklärten Werten abwichen, zeichnete die Sachbearbeiterin als geprüft ab.

Nachdem das Finanzamt verwaltungsintern darauf hingewiesen worden war, dass durch die bisherige Veranlagung die Abfindung im Ergebnis der Besteuerung entzogen worden sei, erließ es einen geänderten Einkommensteuerbescheid. Die Kläger meinten dagegen, dass eine Änderung der ursprünglichen Veranlagung nicht mehr möglich gewesen sei.

Das FG Münster hat die Klage abgewiesen. Die Änderungsbefugnis ergebe sich aus § 175b Absatz 1 AO. Danach sei ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzbehörden übermittelte Daten im Sinne des § 93c AO bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Denn die vom Arbeitgeber des Klägers übermittelten elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen stellten übermittelte Daten im Sinne des § 93c AO dar, die bei der ursprünglichen Steuerfestsetzung nicht zutreffend berücksichtigt worden seien.

Unerheblich sei, worauf die unzutreffende Auswertung beruhe. Denn für die Anwendbarkeit des § 175b AO komme es nicht darauf an, ob eine Verletzung der Mitwirkungspflichten seitens des Steuerpflichtigen oder der Ermittlungspflichten durch die Finanzbehörde vorliege, so das FG. Ebenso unerheblich sei es, ob dem Steuerpflichtigen bei Erstellung d er Steuererklärung ein Schreib- oder Rechenfehler im Sinne des § 173a AO oder der Finanzbehörde bei Erlass des Steuerbescheides ein mechanisches Versehen im Sinne des § 129 AO, ein Fehler bei der Tatsachenwürdigung oder ein Rechtsanwendungsfehler unterlaufen sei.

Nach Auffassung des FG ist auch keine den Wortlaut einschränkende teleologische Reduktion für den vorliegenden Fall geboten, in der die elektronisch übermittelten Daten korrekt waren und die Fehlerhaftigkeit des Steuerbescheides auf einen Fehler der Finanzverwaltung zurückzuführen sei, der wahrscheinlich ebenso bei Vorlage eines Ausdrucks der Lohnsteuerbescheinigung durch den Steuerpflichtigen "in Papierform" aufgetreten wäre. § 175b AO solle eine umfassende Korrekturmöglichkeit unabhängig von der Fehlerquelle ermöglichen.

Die vom FG zugelassene Revision ist beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen IX R 20/23 anhängig.

Finanzgericht Münster, Urteil vom 14.08.2023, 8 K 294/23 E, nicht rechtskräftig