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05.12.2022

Tonnagesteuer: Karlsruhe soll über Neuregelung entscheiden

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) soll klären, ob § 52 Absatz 10 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung des Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetzes (AbzStEntModG) vom 02.06.2021 insoweit verfassungswidrig ist, als darin die rückwirkende Anwendung des § 5a Absatz 4 Sätze 5 bis 7 EStG in der Fassung des AbzStEntModG für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.1998 beginnen, angeordnet wird. Hierum bittet das Finanzgericht (FG) Hamburg.

Hintergrund der Vorlage ist eine mit dem AbzStEntModG rückwirkend ab Einführung der so genannten Tonnagesteuer (§ 5a EStG) im Jahr 1999 in Kraft getretene Neuregelung, die den so genannten Unterschiedsbetrag betrifft. Ein solcher Betrag wird bei der erstmaligen Anwendung der pauschalen Gewinnermittlung nach der Tonnage vom Finanzamt für jedes dem Schiffsbetrieb unmittelbar dienende Wirtschaftsgut und für jeden Mitunternehmer gesondert festgestellt. Damit werden die sich in den Wirtschaftsgütern (im Wesentlichen das Schiff) vor dem Wechsel zur so genannten Tonnagebesteuerung angesammelten stillen Reserven als Besteuerungssubstrat festgehalten. Diese müssen unter anderem dann versteuert werden, wenn ein Mitunternehmer aus der Gesellschaft ausscheidet (§ 5a Absatz 4 Satz 3 Nr. 3 EStG).

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat ab 2019 in ständiger Rechtsprechung entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung entschieden, dass der Begriff des Ausscheidens weit zu verstehen ist und auch unentgeltliche Übertragungen im Wege der Schenkung oder eines Erbfalles umfasst (Urteil vom 28.11.2019, IV R 28/19). Der Gesetzgeber hat auf diese Rechtsprechung reagiert. Durch § 5a Absatz 4 Sätze 5 bis 7 EStG in Verbindung mit § 52 Absatz 10 Satz 4 EStG wird rückwirkend ab Einführung der Tonnagesteuer geregelt, dass bei Übertragungen eines Mitunternehmeranteils zum Buchwert nach § 6 Absatz 3 EStG – und damit unentgeltlich – der Unterschiedsbetrag auf den Rechtsnachfolger übergeht. Es kommt also zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht zur Besteuerung der im (fortgeführten) Unter schiedsbetrag enthaltenen stillen Reserven. Damit wurde die bisherige Verwaltungsauffassung wiederhergestellt.

Der Streitfall betrifft die Schenkung eines Mitunternehmeranteils im Jahr 2005 und ist damit von der rückwirkenden Neuregelung betroffen. Der vorlegende Senat des FG Hamburg ist davon überzeugt, dass diese Rückwirkung gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes (Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz) verstößt und deshalb verfassungswidrig ist.

Eine schriftliche Begründung der Entscheidung liegt noch nicht vor.

Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 24.08.2022, 6 K 68/21