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12.05.2025

Besteuerungsverfahren: Von Staatsanwaltschaft sichergestellte Festplatte darf nicht verwertet werden

Erkenntnisse, die ein Außenprüfer aus der Auswertung einer Festplatte (hier: E-Mail-Verkehr) zieht, können im Besteuerungsverfahren einem qualifizierten Verwertungsverbot unterliegen. Das gilt laut Bundesfinanzhof (BFH) dann, wenn die Festplatte im Rahmen eines gegen eine andere Person wegen einer Nichtsteuerstraftat durchgeführten Ermittlungsverfahrens sichergestellt und dem Außenprüfer von der Staatsanwaltschaft ohne vorherige Durchsicht nach § 110 der Strafprozessordnung (StPO) zur vollständigen Auswertung überlassen worden ist.

Gemäß § 393 Absatz 3 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) dürften Erkenntnisse, die die Finanzbehörde oder die Staatsanwaltschaft rechtmäßig im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen gewonnen hat, im Besteuerungsverfahren verwendet werden. Diese generelle Verwendungserlaubnis für strafprozessual erlangte, steuerlich relevante Erkenntnisse gelte auch für Erkenntnisse, die in Verfahren wegen Nichtsteuerstraftaten erlangt worden sind. Sie umfasst laut BFH auch so genannte Zufallsfunde und bekannt gewordene Vorgänge gegen andere Steuerpflichtige.

Der Auswertung der Festplatte für Zwecke des Besteuerungsverfahrens stehe es jedoch entgegen, wenn die Staatsanwaltschaft vor der Übersendung der Festplatte an den Prüfer keine Durchsicht nach § 110 StPO vorgenommen und die für die strafrechtliche Ermittlung nicht relevanten Daten nicht von der Übermittlung an den Prüfer ausgenommen hat. Wie der BFH erläutert, bezweckt die Durchsicht, übermäßige und auf Dauer angelegte Datenerhebungen zu vermeiden. Dadurch solle die Intensität des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vermindert werden.

Darüber hinaus berücksichtigte der BFH im konkreten Fall, dass das Besteuerungsverfahren zum Zeitpunkt der Übersendung der Festplatte noch nicht zur Einschaltung der Steuerfahndung geführt hatte. Der Außenprüfer sei in eigener Kompetenz zwar zum Betreten und Besichtigen von Betriebs- und Geschäftsräumen, nicht jedoch zu einer Durchsuchung oder Beschlagnahme von Unterlagen oder Speichermedien befugt. Der nach Maßgabe von § 147 Absatz 6 AO zulässige Datenzugriff der Finanzbehörde im Rahmen der Außenprüfung sei auf Unterlagen beschränkt, die der Steuerpflichtige nach § 147 Absatz 1 AO aufzubewahren hat. Er erstrecke sich deshalb nicht auf den allgemeinen E-Mail-Verkehr zwischen den Gesellschaftern und zwischen diesen und dem Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft. Die Überlassung der zu steuerfremden strafprozessualen Zwecken sichergestellten Festplatte in ungefiltertem Zustand an den Prüfer, damit dieser den kompletten Festplatteninhalt auf etwaig für die Besteuerungsverfahren relevante Daten hin auswerten kann, vermittele dem Prüfer somit de facto nach dem Gesetz nicht vorgesehene Zugriffsmöglichkeiten in die grundrechtlich geschützte Sphäre des Steuerpflichtigen.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 23.04.2025, I B 51/22