Zurück

28.03.2023

Unterbringung nach § 63 StGB: Steht Anspruch auf Kindergeld entgegen

Ist ein volljähriges Kind nach § 63 Strafgesetzbuch (StGB) untergebracht, besteht kein Anspruch auf Kindergeld für es. Dies gilt auch für den Zeitraum, in dem nach § 67h StGB die zuvor mit Führungsaufsicht zur Bewährung ausgesetzte Unterbringung befristet wieder in Vollzug gesetzt war, wie das Finanzgericht (FG) Hessen entschieden hat.

Die 1996 geborene Klägerin leidet unter einer vor Vollendung des 25. Lebensjahrs eingetretenen seelischen Behinderung, die ihre Teilnahme am allgemeinen Erwerbsleben unmöglich macht und einen Anspruch auf Kindergeld trotz Volljährigkeit begründet. 2013 wurde sie wegen verschiedener Gewaltdelikte schuldig gesprochen. Zugleich ordnete das Gericht nach § 63 StGB ihre zwangsweise Unterbringung an, die zunächst vollzogen und sodann zur Bewährung ausgesetzt wurde. Seitdem steht die Klägerin unter Führungsaufsicht. Infolge einer Wiederverschlimmerung ihrer psychiatrischen Symptomatik, die sich auch in gewaltbezogenen Vorfällen zeigte, wurde sodann die befristete Wiederinvollzugsetzung der ausgesetzten Unterbringung auf Grundlage des § 67h StGB angeordnet. Streitig ist die Festsetzung von Kindergeld für den Zeitraum der Maßnahme nach § 67h StGB.

Das FG meint, für diesen Zeitraum komme kein Kindergeldanspruch in Betracht. Denn die Klägerin sei nicht wegen ihrer seelischen Behinderung, sondern aufgrund der nach § 67h StGB vorläufig wieder angeordneten Freiheitsbeschränkungen am Selbstunterhalt durch Teilnahme am Erwerbsleben gehindert gewesen. Insoweit bestehe im Ergebnis kein Unterschied zwischen einer Anordnung im Sinne des § 63 StGB und einer vorläufigen Maßnahme im Sinne des § 67h StGB.

Aufgrund der in der Rechtsfolge gleichen Auswirkungen für die betroffene Person könne es für Zwecke des Kindergeldes dahinstehen, ob eine angeordnete zwangsweise Unterbringung auf § 63 StGB oder auf § 67h StGB beruht. In beiden Fällen sei das behinderte Kind bereits infolge der angeordneten Freiheitsbeschränkungen nicht in der Lage, sich selbst zu unterhalten. Der Umstand, dass die Wiederinvollzugsetzung im Streitfall in erster Linie der fachmedizinischen Behandlung der Klägerin diente, führe zu keinem anderen Ergebnis. Die gesteigerte Behandlungsbedürftigkeit des Patienten zähle zu den Tatbestandsmerkmalen der Vorschrift.

Auch dass – anders als typischerweise bei einer (mit einer Strafhaft vergleichbaren) längerfristigen Erstunterbringung nach § 63 StGB – die allgemeinen Lebenshaltungskosten der Person weiter anfallen, da wegen der gesetzlichen Befristung zum Beispiel eine inzwischen bezogene Wohnung aufrechterhalten wird, führe zu keinem anderen Ergebnis, so das FG. Das Bestehen oder Nichtbestehen des Kindergeldanspruchs hänge von gesetzlich typisierten Faktoren ab. Bei der (gegebenenfalls auch nur für einen begrenzten Zeitraum) fehlenden Kausalität der Behinderung für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt seien keine weiteren Faktoren zu prüfen. Die Festsetzung des Kindergeldes erfolge jeweils für einzelne Monate. Daraus folge, dass die Voraussetzungen grundsätzlich auch für jeden Monat gesondert zu prüfen seien.

Finanzgericht Hessen, Urteil vom 14.09.2022, 6 K 351/22